Freistil-Ass Stefan Kehrer kommt an den Obermain
Dritter Europameister, dritter Militärweltmeister, Olympionike, sechsfacher deutscher Meister im freien Stil, ein Podiumsplatz im klassischen Stil, zuletzt 7. Weltmeister 2015 – Stefan Kehrer gehört im deutschen Ringsport zu den Großen. Mit seinem Wettkampfgewicht von gut 100 kg und seiner Vita im Halbschwer- und Schwergewicht sogar wörtlich.
Für die kommende Saison hat der Freistiler sich, nach erfolgreichen Jahren bei Heilbronn und zuletzt einem Einsatz für die Wrestling Tigers Rhein-Nahe, für Lichtenfels entschieden. Knieprobleme, die Kehrer seit der Weltmeisterschaft 2015 zunehmend plagten, hatten ihren Schatten auf die Leistung des zweifachen Vaters geworfen. Der enorme Leistungsdruck in den Vereinen, die Jahr um Jahr um die deutsche Mannschaftsmeisterschaft mitrangen, drängten die dringend benötigte Knieoperation von einem Jahr in das nächste. Die konstante Belastung im Training und der Saison, aber auch sein Normalgewicht von 103, 104 kg taten ihr Übriges.
Jetzt, mit Mitte Dreißig, mit seinen Industrie-Meisterabschluss in der Tasche und glücklich in der eigenen, vierköpfigen Familie, sah Kehrer die Zeit gekommen, neue Verhältnisse zu schaffen. Nach Saisonabbruch im vergangenen Jahr unterzog er sich der Operation. „10 Wochen ist das jetzt her“ erzählt er von dem erfolgreichen Eingriff. „Fit bin ich natürlich noch nicht“ räumt er ein, freut sich aber die Krücken wieder los zu sein und neuerdings „wieder arbeiten gehen zu können“. Zudem das neue Lebensgefühl, erstmals seit drei, vier Jahren wieder schmerzfrei durch den Tag zu gehen. Das Bein Stück um Stück an die Belastung zu gewöhnen und die über Jahre angeeignete Schonhaltung loszuwerden, sind die ersten Ziele. Danach soll der Fokus wieder auf dem Sport, der Fitness und schließlich dem Ringen liegen. Nach der OP sieht sich Kehrer schon jetzt auf einem guten Weg zurück und bis zur Saison ist es noch eine Weile – „ich bin da absolut optimistisch“ fasst Kehrer zusammen.
Der gebürtige Mannheimer plant eine normale Vorbereitung auf die Kämpfe. „Das ist so ein jährliches Ritual bei mir“. „Natürlich bin ich das ganze Jahr im Training, mal mehr und mal weniger, aber so im Mai fange ich die Vorbereitung auf die Saison an“. Erst mit der Ernährung, um vom Off-Season Gewicht, gut 8 bis 10 Kilo über dem Limit, in die Wettkampfform zu kommen, dann mit Training im Mentalbereich, ab Juni dann verstärkt Grundlagen und schließlich 10 Wochen harter Vorbereitung. Wichtig seien ihm in dieser Phase seines Ringerlebens „Schnelligkeit, Reaktion, Kraftausdauer, Kondition“ sowie regelmäßiges Mattentraining.
Hierfür nutzt er seit Jahren die Matte des Heimatvereins SRC Viernheim, einem der Vereine, denen Kehrer im Herbst gegenüber stehen wird. Eine Situation, die sich mit der Umstrukturierung der Bundesliga vor einigen Tagen neu ergeben hat. „Es ist natürlich amüsant, wenn ich bei einem Auswärtskampf für Lichtenfels 5 Minuten zu Halle habe“ schmunzelt Kehrer, misst dieser Konstellation jedoch keine weitere Bedeutung bei. Anstandshalber plant er zwar, sich in der Woche des Aufeinandertreffens zurück zu nehmen und Viernheim die Matte zu überlassen, betont jedoch insgesamt das gute Verhältnis, sowie den gegenseitigen Nutzen starker Trainingspartner.
„Wir freuen uns einen so starken und spektakulären Angriffsringer zu uns geholt zu haben“ erzählt Heiko Scherer, der in Kehrer einen großen Gewinn für die Mannschaft, sowie das Publikum sieht. Er war es auch, der mit dem Freistiler in Kontakt getreten ist und ihn – im Wettbewerb mit mehreren anderen Bundesligavereinen – an den Obermain locken konnte. Was aber führte zur Entscheidung für Lichtenfels und gegen namenhafte andere Vereine?
„Ich war schon einmal in Lichtenfels“ erzählt der 36-jähige. Damals allerdings als Teil der Gastmannschaft. „Ich habe mit dem KSV Ketsch gegen Lichtenfels gerungen und geschultert. – dann wurden Becher auf mich geworfen“ erinnert sich Kehrer auch noch nach gut 15 Jahren „– das finde ich mega-geil, wenn im eigenen Verein die Fans derart hinter einem stehen“.
Begeistert von dieser Heimkulisse, die er als junger Ringer erlebte, freut er sich heute, diese Energie erneut zu spüren, diesmal in der eigenen Ecke. Darüber hinaus sieht er Lichtenfels als richtigen, nächsten Schritt. Statt „Highlife und Halli Galli“ reizt ihn heute die familiäre Stimmung in der Halle und er zieht das Vertrauen im Verein dem Erfolgsdruck vor. Ein Vertrauen, das der Eagle zurückzahlen will.
„Ziel ist, noch einmal etwas Gutes zu starten“ nach den Ergebnissen der letzten Jahre, mit denen er selbst nicht zufrieden war, wollte er „so nicht einfach abtreten“ nicht sang und klanglos von der Bildfläche verschwinden. „Ich habe über die Beinangriffe gelebt, wenn man dann nicht mehr so angreifen kann, ist das heftig“. Umso mehr freut er sich, nach der Weltmeisterschaft 2015 „endlich mal wieder schmerzfrei zu kämpfen“. Als Ziel hat er sich dabei nicht nur eine zufriedenstellende Bilanz gesteckt, sondern will auch die Zuschauer zufrieden sehen. Mit der Aussicht, dass die besten vier Vereine pro Staffel die Playoffs erreichen, heißt das konkret „mit der Mannschaft die Hauptrunde zu überstehen“.
„Ich freue mich riesig auf die Saison“ fasst Kehrer abschließend zusammen und ist dabei zuversichtlich, „dass im Herbst Ringen mit Zuschauern möglich sein wird“.
Der Verein freut sich mit Stefan Kehrer einen weiteren Leistungsträger in den Reihen der Eagles zu haben und damit die personelle Lücke, die der frühere Teamkapitän Christoph Meixner Ende 2019 hinterließ, zu schließen. Für die Patenschaft des Neuzugangs dankt der Verein der DIWA-Gruppe, die den ACL neuerdings unterstützt und im speziellen Kehrer sponsert.
6-facher deutscher Meister Senioren
x-facher deutscher Jugend und Juniorenmeister
7. Platz Weltmeisterschaft Männer 2015 97kg Freistil
15. Platz Europameisterschaft Männer 2009 96kg Freistil
12. Platz Olympische Spiele Männer 2008 96kg Freistil
15. Platz Europameisterschaft Männer 2008 96kg Freistil
8. Platz Weltmeisterschaft Männer 2007 96kg Freistil
12. Platz Europameisterschaft Männer 2007 96kg Freistil
9. Platz Weltmeisterschaft Männer 2006 96kg Freistil
3. Platz Europameisterschaft Männer 2006 96kg Freistil
7. Platz Europameisterschaft Junioren 2005 96kg Freistil
5. Platz Weltmeisterschaft Junioren 2005 96kg Freistil
16. Platz Europameisterschaft Junioren 2004 84kg Freistil
9. Platz Europameisterschaft Junioren 2002 76kg Freistil
Text: DaMa
Bilder: Marcel Tschamke (marcel-tschamke.de)