Lichtenfels, oder kein anderer Verein – Tim Müller zurück in Lichtenfels!
Nachdem bereits die Deutsche Ringerliga ankündigte, ihren Ligenbetrieb 2020 zu pausieren und auch unter dem Schirm des Deutschen Ringerbundes die ersten Landesverbände über ein Aussetzen der Saison nachdenken (NRW kündigte bereits an, den Betrieb auf Landesebene erst im kommenden Jahr wieder aufzunehmen), ist es gegenwärtig alles andere als sicher, ob der AC Lichtenfels in der zweiten Jahreshälfte wie geplant in seine achte Bundesligasaison starten wird. In den vergangenen sieben Jahren im Oberhaus des deutschen Ringsports liefen etliche Aktive für den Traditionsverein auf. Nicht viele standen dabei über 30 Mal für den AC Lichtenfels auf der Matte und das überwiegend siegreich.
Vom Nachwuchstalent zum Hoffnungsträger
2012 als 20-jähriges Nachwuchstalent zum AC gestoßen machte sich Tim Müller schnell einen Namen am Obermain. Im Lauf von zwei Jahren kam Müller zu über 30 Einsätzen, von denen er mehr als zwei Drittel als Sieg verbuchte, ehe er Lichtenfels zur Saison 2014 gen Ispringen verließ. Dort kämpfte er sich mit dem KSV, sowie später auch mit dem ASV Mainz, ins Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft. Als einen einzel-sportlichen Meilenstein bewertet Müller die Deutsche Meisterschaft 2017, als er „nach einer längeren Pause und vielen, vielen Hürden“ erneut deutscher Meister der Männer wurde.
Der Grundstein für Müllers Laufbahn lag schon vor seiner Geburt. Bereits der Vater stand auf der Matte, Geschichten über dessen Cousin, Dieter Schwind, seines Zeichens Europa- und Weltmeister, begleiteten den heranwachsenden Tim als sportliches Vorbild, während er seine ersten Trainingsstunden in Ringerschuhen sammelte. Damals stand der gebürtige Aschaffenburger noch für Hösbach auf der Matte und entwickelte sich dort zu einem aussichtsreichen Talent, auf das auch der AC Lichtenfels aufmerksam wurde. Vom ersten Kontakt zum Wechsel sollte aber noch einige Zeit verstreichen. Ausschlaggebend war schließlich Simon Pilzweger, „der mich ein bisschen dahin geführt hat“, erinnert sich Müller an die Entscheidung, nach Lichtenfels zu wechseln. Zwei erfolgreiche Jahre später war für den mittlerweile 22-jährigen Müller klar, dass er das Gewicht bis 66 kg keine weitere Saison bringen können werde. Ein Wechsel in die 74 kg Klasse war unvermeidbar. In dieser war allerdings Simon Pilzweger beheimatet. Müller, der für den Freund keine Konkurrenz darstellen wollte, entschloss sich also, das Angebot des KSV Ispringen anzunehmen.
Nun ist die Zeit gekommen, Tim Müller erneut in Lichtenfels zu begrüßen.
Der Kontakt nach Lichtenfels ist, allein aufgrund seines Schwagers Tobias Schütz, nie ganz abgerissen. Sportlich war der Weg, spätestens nach dem Wiederaufstieg in die Bundesliga, ebenfalls geebnet. „Ich habe die ganze Zeit schon mit dem Gedanken geliebäugelt“ räumt Müller ein. Wirklich konkret wurde das Comeback dann im Dezember, mit einem Anruf Heiko Scherers. „Da wusste ich direkt, Lichtenfels, oder kein anderer Verein.“ Trotz anderer Angebote war für ihn klar, „wenn ich wieder ringen darf, dann Lichtenfels.“ Die Ungewissheit, die dieses Szenario damals noch bedrohte, war eine Sperre Müllers, die seine sportliche Karriere nachhaltig beeinflusste.
„Private Probleme“ fasst der Aschaffenburger die dunkle Zeit ganz knapp zusammen. Eine scharfe Trennung zwischen Sport und Privatem gibt es im Leistungssport allerdings nicht. Strenge Dopingauflagen erfordern die peinlich genaue Einhaltung einer Vielzahl von Richtlinien, zahlreiche davon weit entfernt vom Sport und dem Breitenverständnis von „Doping“. Ein positiver Test lenkte die Karriere Müllers abrupt in eine andere Richtung. Nachdem er die Sperre nun abgesessen, sein Privatleben neu sortiert und in Lichtenfels eine neue sportliche Herausforderung gefunden hat, bot sich der Wechsel in vielerlei Hinsicht an.
„‘Timmy‘ ist bei uns nicht nur ein ‚alter Bekannter‘, es kommt ein Freund und absoluter Publikumsliebling“ freuen sich die Mannschaftsbetreuer des AC über die Verpflichtung und hoffen, dass er diese Rolle wieder einnehmen wird. „Natürlich waren die letzten zwei Jahre für Timmy nicht schön“ räumen Heiko Scherer und Daniel Luptowicz ein, „wir wollten ihm aber die Möglichkeit und Chance geben, von vorne anzufangen. Hier kennt er das Umfeld bestens und wird von allen herzlichst empfangen.“
Was er an Lichtenfels hat, weiß Müller. „Mit Lichtenfels war jeder Kampf ein sportliches Highlight. Es war immer Gänsehaut pur, wenn ich für Lichtenfels auf die Matte ging.“ Dass Lichtenfels es zurück in die erste Liga geschafft hat, freut Müller sehr. Da sich die Mannschaft „wahnsinnig verstärkt“ hat, hält er 2020 einen Platz im oberen Mittelfeld für realistisch. Wichtiger noch sieht er aber das langfristige Ziel „erst mal so richtig in der ersten Liga anzukommen“, als Team zusammen zu wachsen und sich gut für die Zukunft aufzustellen. Persönlich gibt er sich selbstbewusst und steckt sich das Ziel, jeden Kampf zu gewinnen, was er in Anbetracht der zu erwartenden Konkurrenz für möglich hält. Dafür trainiert er normalerweise sechsmal die Woche, legt seinen Fokus aktuell auf Krafttraining „um physisch wieder richtig stark zu werden“, ehe es in der Saisonvorbereitung hoffentlich wieder möglich sein wird, auf die Matte zu gehen um vermehrt zu ringen und sich auf die Schnellkraft zu konzentrieren.
Deutschachse in 75/80 kg Freistil
Eingeplant ist Tim Müller, um sich zusammen mit Neuzugang Marcel Berger und Johannes Lurz, der vor allem in der zweiten Saisonhälfte wieder für Lichtenfels antreten wird, die Klassen 75 und 80 kg zu teilen. „Er wird uns sportlich aber auch menschlich in der Mannschaft enorm weiterhelfen“ sind sich die Verantwortlichen des AC sicher und hoffen zudem, dass er die Lücke die durch die Rücktritte von Tobias Schütz und Christoph Meixner entstanden ist, ein Stück weit schließen kann.
Text: Darius Mayek
Bilder: Marion Stein / Christian Voll