Alles in der Schwebe beim AC Lichtenfels
Mit einigen hochkarätigen Neuverpflichtungen hat sich der AC Lichtenfels für die anstehende Ringer-Saison gewappnet. Heiko Scherer und Daniel Luptowicz, die zusammen verantwortlich für die Zusammenstellung der Bundesligastaffel sind, investierten in den letzten Monaten viel in die Kaderplanung für 2020. In Zeiten der Corona-Pandemie sind sie gezwungen, ihre Aktivitäten auf Themen zu beschränken, die von zu Hause aus vorangetrieben werden können. Das Erarbeiten eines Marketingkonzepts, Änderungen an der Homepage und saisonbezogene Aufgaben, wie Gestaltung des Saisonhefts und Merchandising-Konzepte. Gleichzeitig sind sie der erste Ansprechpartner für die Aktiven und in engem Austausch mit jedem Einzelnen.
ACL setzt auf Sportler aus der Region
Der eingeschlagenen Richtung treu zu bleiben, ist ihnen dabei in zweierlei Hinsicht wichtig. „Wir sind bemüht, die Mannschaft nicht nur nach dem sportlichen, sondern auch nach dem Charakter aufzustellen“, sagte Scherer. Dabei legen die beiden auch Wert darauf, weiter auf Sportler aus der Region zu setzen, wie Lukas Tomaszek, Darius Mayek und Bastian Hoffmann. Gleichzeitig soll es auch künftig hochklassig weitergehen. „Gerade im Umfeld wurde im vergangenen Jahr viel bewegt und neue Strukturen geschaffen“, die will man im AC nicht leichtfertig aufgeben.
„Ohne Auswärtige geht’s nicht“
„Natürlich geht’s ohne Verstärkung von außerhalb nicht“, stellt Scherer klar, zumal einige Leistungsträger ihre Karrieren beendet haben. „Neben der Qualität auf der Matte waren vor allem Tobi Schütz und Christoph Mixi Meixner Aushängeschilder und Identifikationsfiguren der Mannschaft. Ersetzen werden wir diese Sportler nicht können, umso wichtiger ist es, die Zusammensetzung der Mannschaft im Auge zu behalten und darauf zu bauen, dass andere Athleten in Zukunft in diese Rolle wachsen werden“, fügt Luptowicz an.
Mittelfristig soll die Mannschaft „in den oberen Ligen weiterringen können und noch kontinuierlich verstärkt werden“ erzählt der Mannschaftsführer. Ob das künftig Bundesliga oder 2. Liga bedeutet, werde sich zeigen. Für die kommende Saison wurden bereits einige hochklassige Ringer verpflichtet.
Weitere Neuzugänge geplant
„Zwei, drei Neuzugänge werden noch folgen, darunter auch der ein oder andere Hochkaräter“, verrät Luptowicz aber noch keine Namen. „Sportlich gesehen sind wir sicherlich stärker aufgestellt“, verspricht Scherer, vorausgesetzt, die Saison verlaufe weitgehend verletzungsfrei.
Ob diese Saison überhaupt wie geplant stattfinden wird, ist dabei, wie so vieles zurzeit, unsicher. Der DRB hat nach den Absagen der Olympischen Spiele und den Qualifikationsturnieren bereits den Saisonstart in den Oktober verschoben. Als Kontaktsportart wird Ringen wohl nicht die erste Sportart sein, deren Ausübung wieder möglich sein wird. Ob sich die Corona-Situation bis dahin entsprechend entwickeln wird, dass die Saison stattfinden kann, steht in den Sternen.
Der ACL auf Entzug
Bereits vor der Ausgangsbeschränkung und der Schließung sämtlicher Sportstudios hat der ACL seinen Trainingsbetrieb eingestellt. Was für andere ein paar Stunden mehr Freizeit in der Woche oder eine Gelegenheit, vernachlässigten Passionen nachzugehen, darstellt, ist für die Aktiven des AC Lichtenfels nicht so einfach. Der Sport ist für die Athleten des ACL mehr als nur ein Hobby. In der Ringer-Bundesliga konkurriert man mit internationalen Berufssportlern – mit den Besten der Welt.
Mattentraining oder gar das Üben in einer Gruppe sind zurzeit nicht möglich. „Wir müssen die nächsten Wochen abwarten“ erklärt der ACler Christian Lurz, der unbeirrt auf die Saison trainiert. Auch ihm fehle das Mattentraining, das gehe den anderen Vereinen aber auch nicht anders. Umso wichtiger sei der Wille, für sich etwas zu machen, da sei jeder selbst gefordert. Für Lurz heißt das, Gewichte zu stemmen und Masse aufzubauen. „Da hat sich insgesamt wenig geändert, auch wenn hier und da improvisiert werden muss.“ Der gewohnte Kontakt zu den Mannschaftskollegen fehlt dabei. Ebenso wie die Zeit auf der Matte, die in diesen Monaten meist für Techniktraining und das Einüben von Bewegungsabläufen genutzt wird.
„Wir sind gewohnt, drei- bis fünfmal pro Woche auf der Matte zu stehen“, erzählt sein Teamkollege Darius Mayek, „schließlich gibt es im Ringen keine Saisonpause.“ Während für Zuschauer vor allem die Saison mit den Mannschaftskämpfen interessant ist, beginnt das Jahr für die Aktiven mit Einzelmeisterschaften auf Bezirks-, Landes- oder Bundesebene, die sich bis in den Sommer ziehen. Damit mündet es direkt in die Saisonvorbereitung im Team. Für die Sportler bleiben ein paar Tage um Weihnachten oft die einzige Zeit, in der das Training tatsächlich ausgesetzt wird.
Doch zurzeit ruhen auch diese Titelkämpfe. Bitter für Lukas Tomaszek, der vor einigen Wochen bayerischer Meister wurde und sich für die „Deutsche“ qualifiziert hatte. Die war für Ende April angesetzt und ist nun auf unabsehbare Zeit verschoben. „Die spezifische Vorbereitung liegt daher auf Eis“, berichtet der Bamberger.
Wagner ganzes Jahr in Topform
Hannes Wagner geht es ähnlich, wenn auch in einer anderen Größenordnung. Als Teil der Nationalmannschaft und mit regelmäßigen, internationalen Auftritten hält er sich rund ums Jahr in körperlicher Bestform. Umso gravierender fällt da ein Trainingsausfall ins Gewicht. „Wenn man ein, zwei Monate von der Matte weg ist, ist das katastrophal, vor allem, wenn man danach direkt wieder ran muss.“
Wann genau es soweit sein wird, ist unklar. Die deutsche Meisterschaft, der große Preis und ein Turnier in Kroatien wären die nächsten Wettkämpfe in seinem Kalender gewesen – alle abgesagt, verschoben oder noch in der Schwebe. Wagner selbst schätzt sich glücklich, seinen sportlichen Höhepunkt 2020 mit einem erfolgreichen Start und dem Bronzemedaillengewinn bei den Europameisterschaften in Italien bereits gehabt zu haben.
Auf den Bundesliga-Saisonstart im Herbst freut sich das ACL-Aushängeschild schon jetzt. „Wir haben eine recht gute Truppe dieses Jahr“, sagt der 24-Jährige.
Beier zieht finanziell die Fäden
Den vielversprechenden Kader des AC Lichtenfels stellte mit den Trainern und Mannschaftsführern auch Britta Beier, Vorsitzende des Vereins, zusammen. Nachdem die Budgetplanung für die kommenden Monate abgeschlossen ist, ist die Lichtenfelserin mit Vertragsverhandlungen beschäftigt. Der nächste Schritt in Richtung Saison 2020 wären nun Sponsorengespräche, eine Aufgabe, die ins Stocken gerät, denn: „Die Unternehmen haben zurzeit ganz andere Sorgen und können noch nicht abschätzen, wie groß die Schwierigkeiten in den Firmen sein werden“, sagt die ACL-Finanzchefin. „Wie sich Ausgabeverhalten für Sponsoring und Marketing nach Corona darstellen, wird erst danach sichtbar.“
Um noch Zeit zu haben, vor der Saison auf die neuen Gegebenheiten zu reagieren, sollte das „danach“ in Beiers Augen in den nächsten Wochen geklärt sein. Sie stellt sich viele Fragen. „Ist eine ganz normale Saison überhaupt möglich? Dürfen im Herbst alle wieder reisen und sind alle Veranstaltungsverbote aufgehoben?“
Zuversicht bei der Vorsitzenden
Von wirtschaftlicher Seite sieht Beier noch keine existenziellen Bedrohungen für den Verein. In allergrößter Not gäbe es immer noch die Möglichkeit, die Mannschaft zurückzuziehen und sich auf die Landesliga zu konzentrieren, sagt Beier, „aber das wird nicht bei allen so sein“.
Gerade für Teams, die sich ausschließlich auf die Bundesliga stützen, stellt sich die Frage: Wie viele Vereine werden durchhalten?
Mittlerweile sieht Beier die Saison im Herbst „zunehmend sorgenvoll“ und spricht dabei neben den genannten Aspekten auch Themen wie die Gesundheit der Aktiven im Ausland an, die nicht alle von bester medizinischer Versorgung und leistungsfähiger Infrastruktur profitieren.
Text: dma Bilder: Czepera